GRIN - Case Management in der Suchthilfe (2023)

Inhalt

1. Einleitung

2. Das Case Management
2.1 Die Entwicklung des Case Managements
2.2 Die Definition des Case Managements
2.3 Die Phasen und der Ablauf des Case Managements
2.4 Die Funktionen des Case Managements
2.5 Die Ziele des Case Managements

3. Die Anamnese
3.1 Die Definition der Anamnese
3.1.1 Die Formen der Anamnese
3.2 Die Anamnese in der Sozialen Arbeit
3.2.1 Die historische Entwicklung in Bezug auf die Soziale Arbeit
3.2.2 Die Bedeutung der Anamnese in der Sozialen Arbeit

4. Die Suchthilfe
4.1 Begriffserklärungen
4.1.1 Die Sucht
4.1.2 Die Suchthilfe
4.2 Das Ziel der Suchthilfe

5. Die Erstellung eines Anamnesebogens
5.1 Zu berücksichtigende Punkte bei der Erstellung des Bogens und bei der Durchführung der Anamnese
5.2 Wichtige Inhalte der Anamnese für ein Suchthilfezentrum für Mutter und Kind

6.Schluss

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang

1. Einleitung

„Wir müssen lernen, den Menschen weniger auf das, was er tut oder läßt, als auf das, was er leidet, anzusehen“ (Bonhoeffer, 1998, S. 28). Der Autor dieser Projektarbeit bezieht dieses Zitat auf die vorliegende Projektarbeit und deutet es wie folgt. Es ist wichtig hinter die Fassade eines Menschen zu schauen und ihn oder sie nicht für Taten oder Aussagen zu verurteilen, die von der Gesellschaft als unmoralisch oder falsch angesehen werden und ihn deshalb aus dem Zusammenleben auszuschließen. Man sollte eine Person besser kennenlernen und erfahren was sie im Leben bereits durchmachen musste und welche Stärke aufgebracht wurde, um diese Umstände zu überstehen. Die Aufgabe eines Sozialarbeiters besteht darin, den Menschen nicht zu verurteilen, sondern mit einer neutralen Einstellung an einen Hilfsprozess heranzugehen. Es geht um ein intensives Kennenlernen der Schwächen und der Stärken, damit der Person Kraft gegeben werden kann, das Leben nach eigenen Zielvorstellungen in die richtige Richtung zu bewegen.

Aufgeschlossenheit und Unvoreingenommenheit sind Eigenschaften, die leider nur noch sehr selten in unserer heutigen Gesellschaft vertreten sind. Menschen werden ausgegrenzt, verachtet oder körperlich, aber auch psychisch verletzt. Diese Menschen verlieren den Halt in der Gesellschaft, sie schaffen es aus verschiedensten Gründen nicht sich aus dieser misslichen Lage zu befreien. Andere haben verschiedene Schicksale erlitten und stehen nun vor einem Haufen von Dingen, die erledigt werden müssen ohne selbst eine Ahnung zu haben, wie dies bewerkstelligt werden soll.

An diesem Punkt kommen professionelle Helfer ins Spiel, durch verschiedene Prozesse und Methoden versuchen sie die Menschen auf den richtigen Pfad zu führen und sie zu unterstützen. Um einen kleinen Einblick in diese Form der sozialen Arbeit zu geben und hierbei zu zeigen, welches ein wichtiges Instrument ist, um dies erfolgreich zu bewerkstelligen hat sich die Autorin mit der Thematik auseinandergesetzt.

Die vorliegende Projektarbeit beschäftigt sich mit dem Prozess des näheren Kennenlernens eines Hilfesuchenden aus einer speziellen Zielgruppe und einem wichtigen Schritt, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu garantieren, es gilt dem Leser die Wichtigkeit dieses Schrittes nahe zu bringen.

Ein Hauptpunkt ist hierbei, der Prozess des Case Managements oder auch der Fallarbeit, welche dazu dient, der vulnerablen Persönlichkeit eine Zusammenarbeit mit den verschiedenen Versorgungssystemen und Behörden zu ermöglichen und zugänglich zu machen. Gleichzeitig soll Unterstützung bei gesetzten Zielen geleistet werden und die Selbstkompetenz des Individuums gestärkt werden. Es soll erklärt werden, worum es sich beim Case Management handelt und wie es abläuft, zusätzlich werden Entwicklung, Ziele und Funktionen dieser sozialen Methode vorgestellt.

Ein wichtiger Teil des Case Managements ist die Anamnese, oberflächlich gesagt, das Kennenlernen des Klienten. Das Augenmerk der Projektarbeit liegt darauf, einen spezifischen Anamnesebogen zu erstellen. Dieser soll als Leitfaden für die Gesprächsführung mit dem Betroffenen genutzt werden können um diesen besser kennen zu lernen. Er dient dafür die Hilfen zweckentsprechender einzuschätzen und sich an den gestellten Zielen des Individuums zu orientieren. Dafür ist es wichtig, zunächst den Begriff Anamnese zu definieren, verschiedene Anamneseformen aufzuzeigen und besonders auf die Anamnese im Bereich der sozialen Arbeit zu schauen, auf deren Entwicklung und Bedeutung.

Da die Anamnese in vielen sozialen Bereichen Anwendung findet, wie zum Beispiel bei der Patientenaufnahme im Krankenhaus, in der Jugendsozialarbeit oder ähnlichem, ist es notwendig sich an nur einem Bereich der sozialen Arbeit zu orientieren. Für den Autor dieser Arbeit stellt der Bezug zur Suchthilfe die größte Relevanz dar. Um letztendlich einen solchen Fragebogen erstellen zu können, ist es wichtig das Thema Sucht und Suchthilfe kurz vorzustellen und aufzuzeigen, worauf es bei der Suchthilfe wirklich ankommt, denn nur so kann ein zielgerichteter Anamnesebogen zustande kommen.

Praktisch gesehen, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit einen Anamnesebogen für die Aufnahme von Klienten eines stationären Suchthilfezentrums zu erstellen. Gleichzeitig soll die allgemeine Bedeutung einer ausführlichen und spezifischen Anamnese auf den Hilfsprozess dargestellt werden.

2. Das Case Management

Das Case Management ist vielseitig einsetzbar und findet in vielen Bereichen im Sozial- und Gesundheitswesen Anwendung, hierbei passt es sich an die Spezifität der Einsatzgebiete an (vgl. Wendt, S. 3, 2009). Im Zusammenhang mit dieser Arbeit, soll es um das Case Management in der Sozialen Arbeit gehen. Um ein besseres Verständnis zu bekommen, ist es zunächst wichtig die Entwicklungsgeschichte des Tätigkeitsfeldes zu kennen, bevor es zu einem genauen Definitionsversuch kommen kann.

2.1 Die Entwicklung des Case Managements

Das klassische Case Management findet seine Ursprünge in der sozialen Einzelfallhilfe oder auch Casework genannt. Um 1890 wurden von der Amerikanerin Mary Richmond wichtige Anstöße für die als älteste Methode geltende Form der sozialen Arbeit gegeben. Die Wegbereiterin der Casework arbeitete bei einer Wohlfahrtsorganisation und setzte sich dort für eine gerechte Mittelverteilung in der Armenpflege ein. Ihre Ergebnisse veröffentlichte sie in dem Buch „Social Diagnosis“. Im deutschsprachigem Raum erweiterte Alice Salomon die Ausführungen von Richmond (vgl. Belardi, 2017, S.69).

Mary Richmonds Casework, in Bezug auf berufliches Handeln, sollte lehr- und lernbar sein. Zur damaligen Zeit wurden Armut und soziale Probleme als Krankheit verstanden, welche behandelt werden mussten. Hierbei wird versucht den Einzelnen zu fördern und seine inneren Stärken wieder zum Vorschein zu bringen. Die Klienten sollen Hilfe zur Selbsthilfe erfahren. Gegliedert war das Hilfskonzept in drei Phasen, welche durchlaufen werden mussten, zum einen in die Anamnese, in die Soziale Diagnose und in die Behandlung (vgl. Zierer, S. 66f.).

Die Phasen der Hilfe waren also der Behandlung eines Kranken im medizinischen Bereich stark angelehnt, was verstärkt aufzeigt, dass soziale Ungleichheiten in der Vergangenheit als Krankheitsbild verstanden wurden. Richmond setze sich dafür ein, das Armut bekämpft wurde und den Betroffenen mit der Unterstützung geschulter Helfer neue Wege aufgezeigt wurden. Die Grundlagen zur sozialen Arbeit als Dienstleistung entstand.

Die Begrifflichkeit des Case Managements, wurde um 1970 in den Vereinigten Staaten von Amerika eingeführt. Hilfsbedürftige Patienten oder Patientinnen, die aus Krankenhäusern oder anderen stationären Einrichtungen entlassen wurden, sollten eine Form der ambulanten Nachsorge erhalten können (vgl. Klie, 2011, S.499). Die Entlassenen saßen nach ihrem Aufenthalt oftmals ohne gesundheitliche oder finanzielle Perspektive auf der Straße und sollten durch die sozialen Konzepte zur weiterführenden Hilfe unterstützt werden. Zum Beispiel durch einen Pflegedienst oder eine Hilfe zur Wiedereingliederung in den Berufsalltag.

2.2 Die Definition des Case Managements

Übersetzt bedeutet Case Management so viel wie Fallmanagement oder auch Fallarbeit. Durch die Begrifflichkeit Management, rückt anders als im Vorläufer Casework, nicht die psychologische Beziehungs- und Förderungsarbeit, sondern die Koordinierung von Hilfs- und Unterstützungsprogrammen für den Einzelnen in den Vordergrund (vgl. Bojack/ Brecht/ Derr, 2014, S. 85).

Es geht darum, die Menschen durch das Versorgungssystem zu begleiten und ihnen verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen, welche zu einer Genesung, beziehungsweise zum Erreichen der gesetzten Ziele führen. Verschiedene Angebote sollen den Menschen zugänglich gemacht werden.

Es gibt sieben Kriterien, die der Methode Case Management zugrunde liegen und durch welche sie definiert wird, over time, across services, eine ganzheitliche Sichtweise, einen dynamischen Prozess, ein integriertes Hilfesystem, eine Zielorientierung, sowie die Qualitätsentwicklung und die Qualitätssicherung. Das heißt, dass sich der Prozess entlang des Betreuungsverlaufes des Klienten angelegt (over time). Der Betreuungsverlauf ist quer zu den Grenzen der verschiedenen Einrichtungen und deren Zuständigkeit, sowie den verschiedenen Professionen aufgebaut (across services). Im Vordergrund steht die Betrachtung der Bedürfnisse des Klienten (ganzheitliche Sichtweise). Die Kooperation zwischen fallrelevanten Organisationen und Personen ist zwingend notwendig (dynamischer Prozess). Die Beteiligten werden durch den Case-Manager zu einem Hilfsnetz verbunden (integriertes Hilfesystem). Probleme sollen erkannt und gelöst werden, um definierte Ziele zu erreichen (Zielorientierung). Der Arbeitsprozess, die Arbeit des Case Managers und die Zufriedenheit des Klienten werden reflektiert, gesichert und weiterentwickelt (Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung) (vgl. Müller, 2018, S. 64).

Zudem zielt Case Management auf die Knappheit der Ressourcen und die Veränderungen im Sozial- und Gesundheitssystem. Im Idealfall wird nicht nur den Empfängern der Leistung geholfen, sondern auch der Steigerung der Effizienz, dem Verhältnis von erbrachten Kosten des Aufwandes, zum tatsächlichen Nutzen. Die wirtschaftlichen Ressourcen sollen möglichst geringgehalten werden, dabei jedoch einen erheblichen Erfolg verzeichnen. Case Management soll auf der einen Seite die Lebensweltorientierung und auf der anderen Seite die zunehmende Ökonomisierung der sozialen Arbeit in einen Kontext bringen.

Unter Lebensweltorientierung versteht man ein Handlungskonzept der sozialen Arbeit, bei dem die Lebenswelt der KlientInnen in den Vordergrund rückt, sie kommt durch Ungleichheiten und unterschiedliche gesellschaftliche- und regionale Voraussetzungen zustande. Verankert sind diese Verschiedenartigkeiten im Bildungswesen, bei persönlichen oder institutionellen Gegebenheiten, dem eventuell vorhandenen Arbeitsplatz, oder bei der medizinischen Versorgung (vgl. Thiersch, 1995, S.223f.). Der professionelle Helfer agiert als Beobachter, der den Hilfesuchenden respektiert und in seinen Zielvorstellungen unterstützt und fördert. Ein gelingenderer Alltag soll dem Betroffenen durch Aktivierung eigener, innerer Stärken nahegelegt und möglich gemacht werden (vgl. Grunwald/ Thiersch, 2004, S.23).

Die Ökonomisierung sozialer Arbeit, lässt sich mit den bereits erwähnten Leitgrößen Effektivität und Effizienz beschreiben. Die Leistungen sollen zielwirksam sein, die später erbrachten Ergebnisse müssen verglichen werden können und möglichst dem vorher festgesetztem Ziel entsprechen (Effektiv). Und durch Effizienz, mit dem kleinstmöglichen Aufwand, den größtmöglichen Nutzen herbeibringen. Bemessen werden hierbei finanzielle, zeitliche und personelle Mittel, die während der Zusammenarbeit in Anspruch genommen werden (vgl. Kleve, 2018, S.41).

Durch die Struktur und den Ablauf der Methodik des Case Managements wird versucht sowohl lebensweltorientiert als auch ökonomisch zu arbeiten, ohne den Betroffenen dabei zurück zu stellen. Die Hilfen müssen planvoll eingesetzt und zweckentsprechend auf den Hilfesuchenden zugeschnitten sein. Der genauere Phasenablauf wird im folgenden Kapitel genauer erläutert.

2.3 Die Phasen und der Ablauf des Case Managements

Der Prozess des Case Managements findet im Rahmen eines Netzwerkes von formellen und informellen Helfern, von Einrichtungen und Organisationen statt. Der Verlauf gliedert sich in unterschiedliche Phasen, hier im Folgenden beschrieben als Intake, Assessment, Ziel- und Hilfeplanung, Durchführung der Hilfe, Monitoring und Evaluation (vgl. Kollak/ Schmidt, 2016, S. 10).

Intake aus dem Englischen kommend, heißt übersetzt so viel wie Aufnahme. Es umfasst die Untersuchungen ob bei dem jeweiligen Klienten das Case Management Anwendung finden kann. Nicht alle Betroffenen benötigen die Hilfen und Leistungen, welche in diesem Rahmen angeboten werden. Im Intake werden Kriterien bewertet, um den Versorgungsbedarf der Person definieren zu können, um gezielt die vorhandenen Leistungen dort einsetzen zu können, wo sie benötigt werden (vgl. Kollak/ Schmidt, 2016, S. 10). Beispiele für Intake- Kriterien sind bestimmte Krankheiten, wie Tumore oder Demenz, ein hohes Alter, verschiedene lebensbedrohliche Symptome (starke Schmerzen, Missbrauch oder Vernachlässigung) aber auch bestimmte Lebenssituationen, die in jedem Fall professionelle Hilfe erfordern. Des Weiteren muss in Krankenhäusern oder anderen sozialen Einrichtungen für die Mitarbeiter deutlich sein, wer diesen Teil des Case Managements übernimmt und verbindlich festlegt werden, wer für eine Anwendung der Methode geeignet ist und inwiefern die jeweiligen rechtlichen Leistungsansprüche vorhanden sind (vgl. Kollak/ Schmidt, 2016, S. 11). Für ein erfolgreiches und strukturiertes Case Management ist also das Intake von großer Bedeutung für die weitere Planung und Umsetzung des Prozesses. Erste Einblicke in die Problematik des Klienten sind vorhanden. Es ist wichtig die Eignung auszufiltern, damit im Sinne der Ökonomisierung keine Leistungen an einer Stelle eingesetzt werden, an welchen anderen Methodiken zu einem zufriedenstellenderem Ergebnis geführt hätten oder die Hilfe gar nicht benötigt werden würde, da die Person ihren weiteren Lebensweg auch hätte aus eigener Kraft bestreiten können. Somit können die Mittel dort eingesetzt werden, wo sie benötigt werden.

Assessment bedeutet übersetzt Bewertung. Der erste ausführliche Kontakt zwischen Case Manager und Klient findet in Form eines persönlichen Gespräches statt. Es gilt das Ziel und den Zweck der Unterhaltung von beiden Parteien dazustellen, um Klarheit darüber zu erlangen welche Informationen für den Prozess hilfreich sind (vgl. Kollak/ Schmidt, 2016, S. 11f.). Der Case Manager versucht eine Vertrauensbasis aufzubauen und beginnt die Lebenswelt des Klienten kennen zu lernen. Die vorhandenen inneren-, gesellschaftlichen- und institutionellen Ressourcen über die der Inanspruchnehmer verfügt werden analysiert. Ein Genogramm durch welches familiäre Beziehungen oder wichtige Bezugspersonen dargestellt werden, gehört auch zur Phase des Assessments (vgl. Kollak/ Schmidt, 2016, S. 4). Der Klient soll sich langsam öffnen und dem Helfenden Informationen darlegen, welche für die Erstellung des Hilfeplanes und dem Ablauf der weitern Zusammenarbeit grundlegend sind. Man könnte diesen Vorgang mit der Anamnese, die Mediziner im Krankenhaus stellen vergleichen, denn die Ursachen und Umstände in der Lebenswelt, werden genauer betrachtet und versucht hierbei Ressourcen auszuschöpfen, zudem werden Schwierigkeiten aufgedeckt an denen gearbeitet werden kann, um die Rehabilitation der Person zu ermöglichen. Der Betroffene spricht über seine Probleme und versucht Prioritäten in der Lösungsfindung und dem Ablauf zu setzen. Die Person steht im Mittelpunkt, denn sie ist Akteur ihres weiteren Lebensweges und bekommt dementsprechend, im Sinne des Empowerments, Handlungskonzepte nahegelegt, durch die sie ihre persönlichen Ressourcen wieder aktivieren oder ausbauen kann.

Im nächsten Punkt geht es um die Hilfeplanung, sie soll dafür dienen Ziele und Handlungen festzuhalten und Wege zum Ziel aufzuzeigen. Es bedarf der Klärung was erreicht werden soll und welcher Handlung man sich dazu bedienen kann. Es ist wichtig die Ziele eindeutig, überschaubar und nicht zu umfangreich zu definieren. Die Planung sollte Negationen vermeiden (vgl. Kollak/ Schmidt, 2016, S. 21). Der Klient kann durch das Aufzeigen seiner Fehler und negativen Seiten, noch tiefer in seine möglichen Selbstzweifel gerissen werden, denn wenn man immer wieder gesagt bekommt, was man alles falsch macht oder hätte anders machen können, verinnerlicht sich dieses Bild vom eigenen Selbst und die Motivation sich am Änderungsprozess zu beteiligen geht verloren. Der Klient würde den Eindruck erhalten vom professionellen Helfer bevormundet zu werden und somit womöglich zunächst auf Distanz gehen. Die Ziele werden nach dem sogenannten SMART -Modell vereinbart. Es setzt sich auf den Worten spezifisch, messbar, akzeptabel, realistisch und terminiert zusammen (vgl. Kollak/ Schmidt, 2016, S. 4). Das heißt, von Bedeutung ist eine konkrete einfache Formulierung, die Möglichkeit die Fortschritte zu den gesetzten Zielen beobachten zu können, die Fähigkeiten des Betroffenen zu berücksichtigen, also in seinem Rahmen zu wählen und die Festlegung eines bestimmten Zeitpunktes zu welchem die Ziele oder Teilziele erreicht werden sollen, zu erreichen. Die Hilfeplanung baut somit auf die Erkenntnisse, die aus der Anamnese im Zuge des Assessments gewonnen wurden auf.

Die Durchführung der Hilfe, sagt nichts anderes aus, als für die Umsetzung des erstellten Hilfeplans zu sorgen. Falls nötig gibt der Case-Manager Koordinationshilfen und steht bei Rückfragen zur Verfügung (vgl. Dörpinghaus/ Grützmacher/ Werbke/ Weidner, 2004, S.122). In diesem Zeitraum setzt sich die betroffene Person mit den vereinbarten Zielstellungen des Hilfeplans auseinander und versucht die Ratschläge und Handlungsvorschläge umzusetzen beziehungsweise auf seine Lebenssituation anzuwenden. Hierbei wird die Selbstkompetenz gestärkt und das Wissen aus eigener Kraft etwas erreichen zu können. Sollte die vulnerable Persönlichkeit vor unüberwindbaren Herausforderungen stehen, kann mit dem professionellen Helfer Rücksprache gehalten werden.

Monitoring übersetzt man mit dem deutschen Substantiv Überwachung. Gemeint ist die Kontrolle der bisher erledigten Teilziele und die Besprechung des bisherigen Fortschrittes. Man nennt dies auch Fallbesprechung. Meist haben die Klienten eine Art Tagebuch oder andere Aufzeichnungen, in denen sie ihre Ergebnisse aufzeichnen (vgl. Kollak/ Schmidt, 2016, S.4). Es werden Handlungsschritte ausgewertet und analysiert, mögliche neu aufgeworfene Probleme werden besprochen und Lösungsansätze gesucht. Man entscheidet darüber ob bisherige Methoden für die jeweilige Person passend gewesen sind, oder ob es einer Veränderung der Handlungsansätze bedarf. Bereits im Hilfeplangespräch werden Termine für das Monitoring, beziehungsweise die Fallbesprechung verbindlich festgesetzt.

Bei der Evaluation oder Auswertung erfolgt ein Abschlussgespräch der hilfesuchenden und der helfenden Partei. Der Klient wird nach seiner Zufriedenheit mit dem Prozess befragt und die Arbeitsergebnisse werden reflektiert. Hierbei erhält der Klient die Möglichkeit das Ausmaß seiner selbst erbrachten Leistungen in Augenschein zu nehmen, zu besprechen welche Dinge ihm gut gelungen sind, welche Situationen ihm noch Schwierigkeiten bereiten und wie er für sich selbst Lösungsansätze finden und realisieren kann. Abgeschlossen wird ein erfolgreicher Prozess im Regelfall, wenn die gesetzten Ziele erreicht und beiderseitige Zufriedenheit über die angewendete Hilfe herrscht. Der Case-Manager verfasst letztendlich einen Abschlussbericht (vgl. Kollak/ Schmidt, 2016, S.4).

Jeder Prozess ist im Detail auf die individuellen Bedürfnisse des Hilfesuchenden zugeschnitten, es bedarf daher einer umfangreichen Vorarbeit, um die Selbstständigkeit des Klienten im weiteren Verlauf zu aktivieren und im Sinne der Effizient aufrecht zu erhalten. Keine Anwendung findet der Prozess, wenn der Klient sich mit der Art der Hilfe des Case­Managements schwertut und den Prozess abbricht oder die Kompetenz des professionellen Helfers allein nicht ausreicht um gestellte Ziele erreichen zu können. Denn der Inanspruchnehmer muss in der Lage sein seine Vorsätze effektiv, durch eigene Ressourcen erreichen zu können.

2.4 Die Funktionen des Case Managers

Der Case Manager hat verschiedenste Aufgaben während des Prozesses zu erfüllen, er muss dem Klienten zur Seite stehen und Handlungskonzepte nahebringen, sollte jedoch nicht die Selbstbestimmung des Klienten zurück stellen. Der professionelle Helfer dient als Anleiter und versucht die Ressourcen seines Klienten hervorzubringen und ihn dazu zu motivieren aus eigener Kraft mit seiner Situation umzugehen, oder seine Ziele zu erreichen. Eine Arbeit im Sinne des Empowerments. Drei grundlegende Funktionen stehen im Vordergrund, die Advocacy-, die Broker- und die Gatekeeper-Funktion eines Case Managers (vgl. Dörpinghaus/ Grützmacher/ Werbke/ Weidner, 2004, S.123). Der professionelle Helfer wirkt als Bindeglied zwischen Fall- und Systemebene.

Die Advocacy oder auch interessenvertretende Funktion, wird auch als anwaltschaftliche Funktion bezeichnet. Man versteht darunter, dass der professionelle Helfer Dienstleistungen für den Klienten zugänglich macht, Methoden entwickelt, welche die Bedürfnisse des Betroffenen befriedigen und das bestehende Leistungen den Vorstellungen des Klienten zielführend unterstützen. Dies hat zugleich die Funktion Versorgungslücken aufzudecken und bestmöglich auszugleichen (vgl. Dörpinghaus et al., 2004, S.123).

Broker heißt übersetzt Makler, die Broker-Funktion ist somit eine Aufgabe, die in das Feld der Vermittlungstätigkeit fällt. Der Case-Manager muss über die Vielfalt an Angeboten den Überblick behalten und neutral zwischen Nutzer und Anbietern agieren und verhandeln können. Er ist mit den Angeboten und Leistungen des Systems vertraut und hat nun die Pflicht die optimale Versorgungslösung für den Klienten herauszufiltern. Nicht zu vergessen hierbei ist jedoch ein Handeln im Ökonomischen Sinne nach Kosten und Nutzen der jeweiligen Leistung (vgl. Dörpinghaus et al., 2004, S.123).

Die Gatekeeper oder auch Pförtnerfunktion, ist die selektierende Funktion. Der Case Manager überprüft hierbei den Zugang zum gemeinschaftlich finanzierten Versorgungssystem durch gezielte Selektion und ein konstantes Monitoring. Er vermittelt also zwischen den Interessen und versucht die Balance zwischen den Parteien aufrecht zu erhalten. Auch die Aufnahme einer Person ins Case Management fällt unter diesen Funktionsbereich, sowie die Beschaffung der Notwendigen Mittel (vgl. Dörpinghaus et al., 2004, S.123).

2.5 Die Ziele des Case Managements

Der Einsatz des Case Managements zielt darauf, einen lückenlosen Übergang zwischen stationärer und anschließender ambulanter oder selbstständiger Versorgung eines Klienten zu ermöglichen. Der Betroffene soll nach dem Angebot einer festen Unterbringungsmöglichkeit, nicht ohne Perspektiven und institutionelle Ressourcen dastehen. Wichtig ist die Nachsorge und der weitere Lebensweg der Person, um einem erneuten stationärem Aufenthalt entgegenzuwirken. Der Betroffene soll also während seines Behandlungszeitraumes Perspektiven erhalten, die ihn in seinem weiteren Weg zur Erreichung des im Hilfeplan erarbeiteten, Zieles, begleiten und unterstützen. Die persönlichen und institutionellen Grenzen, die für den Genesungsprozess von Bedeutung sind sollen überwunden werden, Zugänglichkeit wird geschaffen. Des Weiteren werden unüberwindbare Hürden in der Lebenswelt des Klienten bewältigt, um klientenzentrierte, bessere Lebensumstände zu schaffen und Risikofaktoren zu unterbinden (vgl. Dörpinghaus/ Grützmacher/ Werbke/ Weidner, 2004, S.120). Die helfende Person soll als Art Vermittler zwischen System und Klient wirken und die Bedürfnisse beider effektiv und effizient vertreten.

Des Weiteren, ist es Ziel des Case Managements ein individuelles auf die Person zugeschnittenes Hilfsarrangement zu gestalten, welchem im dem Anliegen der Nutzer entspricht. Es sollen keine vorgefertigten Konzepte geliefert werden, sondern das Ziel des Betroffenen im Mittelpunkt gestellt werden. Es ist so konstruiert, das dem Klienten nur die Hilfen zugutekommen, die er für seinen Prozess auch benötigt (vgl. Ehlers/ Müller/ Schuster, 2017, S. 19).

3. Die Anamnese

Die Anamnese ist ein wichtiger Bestandteil für ein erfolgreiches Case Management, denn hierbei geht es darum den Klienten und sein bisheriges Leben besser kennen und verstehen zu lernen.

[...]

Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Rob Wisoky

Last Updated: 02/26/2023

Views: 5708

Rating: 4.8 / 5 (68 voted)

Reviews: 83% of readers found this page helpful

Author information

Name: Rob Wisoky

Birthday: 1994-09-30

Address: 5789 Michel Vista, West Domenic, OR 80464-9452

Phone: +97313824072371

Job: Education Orchestrator

Hobby: Lockpicking, Crocheting, Baton twirling, Video gaming, Jogging, Whittling, Model building

Introduction: My name is Rob Wisoky, I am a smiling, helpful, encouraging, zealous, energetic, faithful, fantastic person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.